Ratings stabilisieren in schwierigem Wirtschaftsumfeld
Nach Standard & Poor’s Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun europäischen Ländern (Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Zypern, Malta, Slowakei und Slowenien) werden die politischen Rufe nach einer “unabhängigen” europäischen Ratingagentur lauter. Dabei lässt sich nicht verleugnen, dass es um die Finanzlage der betroffenen Staaten nicht allzu rosig bestellt ist und Investoren durch höhere Zinsforderungen bei Anleihen der besagten Staaten ihre Einschätzung bezüglich deren Kreditwürdigkeit bereits vorweggenommen haben. Darüber hinaus zeigt eine Studie Prof. Dr. Rafael Weißbachs vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Rostock, dass den Ratinagenturen vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Verunsicherung eine wichtige stabilisierende und Vertrauen-schaffende Rolle zukommt.
Realität und Wahrnehmung durch (betroffene) Politiker klaffen auseinander
Fakt ist, dass ein schlechteres Rating den Risikoaufschlag in Form von Zinsen nach oben treibt und die Fremdkapitalkosten für betroffene Staaten und Unternehmen erhöht. Letzten stehen aber auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten ohne Bilanzprüfung offen. Europäische Politiker sämtlicher Couleur benannten in diesem Zusammenhang in den vergangenen Tagen oftmals die Hypothese, dass dadurch die Geldbeschaffung erschwert und die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Herabstufung der Kreditwürdigkeit erhöht würde. Ein Teufelskreis, aus dem nur schwer auszubrechen wäre. Denn die Realität sieht anders aus. So kommt die empirische Studie von Prof. Dr. Weißbach zu dem Schluss, dass Ratingagenturen sich vor allem in Krisenzeiten eher in Zurückhaltung bei Downgrades üben.
Stabilität durch Zurückhaltung der Ratingagenturen
Für ihre Studie analysierten Prof. Dr. Weißbach und sein Team den historischen Verlauf von ca. 8.000 Unternehmen mithilfe der statistischen Bayes-Methoden. Das Resultat: vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfahren Analysten soviel Gegenwind, dass die Entscheidung für ein Downgrade nur in extremen Fällen wirklich erfolgt. „Analysten überlegen sich dreimal, ob sie ein Unternehmen in Krisenzeiten herabstufen. Sie wirken damit volkswirtschaftlich betrachtet eher stabilisierend als Krisen verschärfend“, so Prof. Dr. Weißbach. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses erhält die jüngste Herabstufung der Bonität verschiedener europäischer Länder noch mehr Brisanz. Dass Anleger aber noch Vertrauen in bestimmte Länder haben, zeigte jüngst die 1,8-fach überzeichnete Auktion von sechs-monatigen Bundesanleihen: zum ersten Mal gewährten Anleger dem deutschen Staat aufgrund es negativen Zinses eine Prämie. Auch dieser Fall zeigt, dass die Verunsicherung im Markt hoch ist. Im Gegenzug für eine sichere Anlage sind (institutionelle) Investoren daher bereit, eine sehr niedrige Rendite zu akzeptieren.