Inkasso-Umfrage: Verbraucher zahlen besser als Unternehmensschuldner
Trotz der schwachen Konjunktur ist die Zahlungsmoral im Herbst 2019 weiterhin gut. Das melden jetzt die Inkassounternehmen. In ihrer aktuellen Umfrage antworten 55 Prozent: Rechnungen werden jetzt genauso gut wie im vergangenen Jahr bezahlt. Grund sind die zahlungskräftigen und konsumfreudigen Verbraucher. Deren Zahlungsverhalten hat sich sogar leicht verbessert, wie 23 Prozent der Inkassodienstleister sagen. Für gewerbliche Schuldner bestätigen das nur 18 Prozent.
Dennoch warten Gläubiger auf Zahlungen von Verbrauchern etwas länger (Durchschnitt: 80,82 Tage) als auf das Geld von B2B-Schuldnern (72,34 Tage). Problematisch ist vor allem das Zahlungsverhalten jüngerer Verbraucher zwischen 18 und 24 Jahren. Sie haben häufig Konsumschulden bei Onlinehändlern (89 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das) sowie Telekomfirmen (80 Prozent). Ältere Schuldner stehen dagegen eher bei Banken und Kreditinstituten in der Kreide.
Am meisten unter laxen Zahlern leidet derzeit der Onlinehandel – 54 Prozent der Inkassounternehmen berichten, dass E-Commerce-Kunden Rechnungen aktuell besonders schlecht bezahlen. Probleme haben ebenfalls Energieversorger (38), Vermieter (37), das Handwerk (36), Fitnessstudios (34) sowie die Dienstleistungsbranche allgemein (laut 28 Prozent der Umfrageteilnehmer).
Die Gründe, warum Verbraucher Rechnungen nicht bezahlen, haben sich stark gewandelt. Inzwischen beobachten nur noch 31 Prozent der Inkassounternehmen dafür Arbeitslosigkeit als ursächlich. Vor einigen Jahren war das stets die Top-Antwort. Jetzt dagegen stellen drei von vier Inkassounternehmen (73 Prozent) fest: Privatschuldner gehen zu sorglos und oft unüberlegt Konsumverbindlichkeiten ein. Zweithäufigster Nichtzahlgrund (60 Prozent) ist Überschuldung. Allerdings hatten noch vor zwei Jahren 76 Prozent eine entsprechende Angabe in der Umfrage gemacht.
Geplantes Inkassogesetz würde Zahlungsmoral verschlechtern – „Bedrohung für die Wirtschaft“
Druck auf die Zahlungsmoral kommt aktuell durch die Politik. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht will per Gesetz die vom Schuldner als Verursacher zu tragenden Inkassokosten um fast die Hälfte reduzieren. Betroffen wären vier Fünftel aller der rund 20 Millionen jedes Jahr neu ins Inkasso übergebenen Forderungen. Alleine 2018 führten die Inkassodienstleister 5,8 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf zurück. Rund eine halbe Million Auftraggeber aus allen Branchen sowie die öffentliche Hand arbeitet mit Inkassounternehmen zusammen. Sie müssten künftig länger auf ihr Geld warten. BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd: „Die Halbierung der Inkassokosten ist eine Bedrohung für die Wirtschaft.“
Pedd kritisiert eine „Kürzung der Inkasso-Einnahmen nach dem Rasenmäherprinzip. Damit würde sowohl der Schuldner bessergestellt, der einfach nur eine Rechnung vergessen hat, als auch derjenige, der eine Forderung verursacht hat, obwohl er nie vorhatte, sie zu bezahlen, zum Beispiel absichtliche Schwarzfahrer. Das ist ungerecht.“ Nicht die Verbraucher würden dadurch geschützt, sondern ausschließlich Schuldner, und das zulasten der Gläubiger. „Das scheint mir kaum zu rechtfertigen. Schuldner haben vor der Übergabe eines Falls ins Inkasso wochen-, oft monatelang Rechnungen und Mahnungen ignoriert.“
Zum Schutz der Verbraucher müssten die bestehenden Gesetze durchgesetzt werden. „Wir brauchen eine bundesweite Bündelung der Aufsicht, wie sie vor kurzem ja auch die Verbraucherschutz- und Justizminister der Länder gefordert haben“, sagt Pedd. Als koordinierende Stelle schlägt sie das Bundesamt für Justiz vor. Zudem arbeitet der BDIU derzeit an einem Code of Conduct. Er konkretisiert die Verhaltenspflichten für Inkassounternehmen. Im April 2020 soll die Mitgliederversammlung des Inkassoverbands den dann fertigen Code beschließen. „Damit setzen wir Standards für die gesamte Branche.“
Weniger Verbraucherinsolvenzen – weil viele auf Gesetz zur schnelleren Restschuldbefreiung warten
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen nimmt aktuell weiter ab. Für dieses Jahr erwartet der BDIU 66.000 Verfahren (67.597 in 2018). Es könnten aber viel mehr sein. Fast jeder zehnte Erwachsene ist überschuldet. „Es gibt einen großen Rückstau bei den Beratungsstellen“, berichtet BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd.
Der Grund: Justizministerin Lambrecht will die Verfahrenslaufzeiten von jetzt sechs auf bald nur noch drei Jahre halbieren. Auf dieses neue Gesetz hoffen viele Überschuldete – und warten deshalb mit einem Insolvenzantrag.
Kirsten Pedd sieht Lambrechts Vorhaben kritisch: „Gläubiger werden viel Geld verlieren. Denn in den Jahren vier bis sechs fließen rund 70 Prozent der Rückzahlungen.“ Die Verbandschefin sieht in einer schnelleren Verbraucherinsolvenz falsche Anreize. „Es gibt unredliche Schuldner, die sich dadurch in ihrem schlechten Zahlungsverhalten bestärkt fühlen.“ Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen wird daher bald wieder steigen, nächstes Jahr seien bis zu 70.000 Verfahren möglich. Pedd befürchtet auch, dass es vermehrt zum Drehtüreffekt kommt, also dass Verbraucher nach einer ersten Insolvenz gleich eine zweite oder dritte beantragen. Besser – auch für die Allgemeinheit – seien dagegen außergerichtliche Einigungen, mit denen sich langwierige und teure gerichtliche Verfahren vermeiden ließen.
Dominoeffekt bei B2B-Zahlungsmoral
Bei gewerblichen Schuldnern beobachten die Inkassounternehmen aktuell den sogenannten Dominoeffekt: 72 Prozent melden, dass Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden in dieser Gruppe der häufigste Nichtzahlgrund sind. Überschuldung bzw. Insolvenz fällt hier dagegen kaum ins Gewicht. Nur 30 Prozent beobachten dieses als Nichtzahlgrund (letztes Jahr: 39 Prozent). Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bleibt niedrig. Sie wird sich etwa auf dem Vorjahresniveau einpendeln. Der BDIU erwartet bis Jahresende rund 19.500 Fälle.
Scharfe Kritik üben die Inkassodienstleiser am Zahlungsverhalten öffentlicher Auftraggeber. Deren Rechnungstreue verharrt auf sehr schlechtem Niveau (89 Prozent bestätigen das). BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd kann das nicht nachvollziehen: „Die Einnahmen durch Steuern und Abgaben sind gut, das Geld ist also da. Teilweise fehlt schlicht das Personal in den Behörden, um Aufträge abzunehmen und Rechnungen freizugeben. Es kann aber nicht sein, dass Handwerker oder Baubetriebe ein halbes Jahr oder länger auf das Geld aus öffentlichen Aufträgen warten müssen, gleichzeitig aber die Finanzämter sofort die Vorsteuer aus diesen Verträgen kassieren. Manchen Auftragnehmer treibt dieses Verhalten der öffentlichen Hand sogar in die Insolvenz. Das ist ein Skandal.“
Für die Zukunft sind die Inkassounternehmen pessimistisch gestimmt. „Es wird im Moment zu viel für den Schuldnerschutz getan, die Belange der Wirtschaft und der Gläubiger werden vernachlässigt“, kritisiert Kirsten Pedd. „Das funktioniert bei guter Konjunktur, aber nicht mitten in einem Abschwung.“ Schlechte Wirtschaftsdaten, Exporthemmnisse etwa durch den Brexit und Gesetzesregulierungen werden dafür sorgen, dass sich die Zahlungsmoral 2020 zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder verschlechtert. Damit rechnet eine Mehrheit von 59 Prozent in der Inkasso-Umfrage.
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