Insolvenzen in Eigenverwaltung: Unverhofft kommt oft
Immer häufiger müssen Unternehmer hinnehmen, dass ihre stabil geglaubten Geschäftspartner plötzlich eine Insolvenz in Eigenverwaltung eröffnen. Bonitäten und Geschäftsentwicklung gaben vorab keinen Anlass zu Sorge, es drohen Schäden.
Im Sommer 2018 meldete das Sportartikelhaus Kettler Insolvenz in Eigenverwaltung an, kaum vier Monate später ist das Unterfangen, das in die Krise geratene Unternehmen mit Hilfe eines Investors zu sanieren, gescheitert. 720 Mitarbeitern droht die Kündigung. Und die Zulieferer, Abnehmer, Kunden? Sehen sich einmal mehr mit Unsicherheit und möglichen Schäden konfrontiert. Ursache sollen Uneinigkeiten zwischen Unternehmen und Investor gewesen sein.
Dass eine Insolvenz in Eigenverwaltung scheitert, ist indes alles andere als selten: Bei 39 Prozent geht die Sanierung schief. Viele Insolvenzen in Eigenverwaltung münden schließlich doch in Regelinsolvenzen. Die Folge sind enorm hohe Kosten und schlichtweg verlorene Zeit.
Rette sich, wer kann
Dabei wurde das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) genau dafür geschaffen: Unternehmer sollten das Ruder herumreißen können, bevor ihre Firma komplett zahlungsunfähig ist. Es sollte ermöglicht werden, Unternehmen zu sanieren – im Sinne des Fortbestands der Geschäftstätigkeit, ihrer Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Großer Vorteil des ESUG: Anders als bei einer Regelinsolvenz darf die Geschäftsführung weiter im Amt bleiben und sämtliche Entscheidungen unter den Augen eines zur Seite gestellten Sachwalters treffen. Das erleichtert Unternehmen den Schritt der Antragsstellung und sollte langfristig auch das Image einer Insolvenz verbessern: Aktives Umstrukturieren statt Scheitern. „Eine ESUG-Insolvenz kommt dennoch meist überraschend“, spricht Heiko Walter vom Kreditversicherungsmakler VIA Delcredere GmbH das Risiko für die Gläubiger an, „und es zeichnet sich ab, dass die großen ESUG-Verfahren auch in diesem Jahr zu den Großschäden der Versicherer zählen.“
Gläubiger haben das Nachsehen
2012 trat das Gesetz in Kraft. Ein Bericht eines vom Bundesjustizministerium beauftragten Wissenschaftlerteams bescheinigt dem ESUG nun – 2018 – auf 300 Seiten jedoch diverse Mängel und fordert Nachbesserung. Das Gesetz begünstige die Sanierung „auf dem Rücken“ der Gläubiger. Schließlich können sich Unternehmen, die sich in einer solchen Insolvenz in Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren befinden, deutlich schneller und leichter als üblich aus lästigen Verpflichtungen freischlagen: Miet- und Kreditverträge für Ladenlokale, Geschäftsräume und Maschinen, sogar Arbeitsverträge und Pensionsrückstellungen – alles ist leichter und mit teilweise deutlich herabgesetzten Fristen kündbar. Denn: Im Vordergrund steht die Sanierung des Unternehmens.
Dennoch gelte es nun, so der Bericht, Einzelfragen zu verbessern: Im Fokus stehen etwa strengere Zugangsvoraussetzungen sowie die Rolle des Sachwalters. Weil man in Brüssel jedoch an einer Richtlinie zum „vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren“ arbeitet, die wiederum Gemeinsamkeiten zum ESUG aufweist und schließlich auch in das Insolvenzgesetz eingearbeitet werden muss, wird wohl eine Kindergeneration aus dem Kettcar-Alter herausgewachsen sein, bis eine Novelle rechtliche Sicherheit für Schuldner und Gläubiger bringt.
Mehr dazu lesen Sie im Blog von VIA Delcredere.
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